Noch ein ordentlicher Schulterblick…

… und dann schiebe ich den Einkaufswagen auf dem Rewe-Parkplatz zum Auto. Kein Scherz. Ich hab‘ mich heute echt beim Schulterblick erwischt und mich dann vor Lachen fast auf den Asphalt geschmissen.

Es ist kaum zu glauben, aber diese Bewegung als Grundelement des Motorradfahrens ist mir wahrhaftig schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich mich zunehmend häufig dabei ertappe. Dazu brauche ich weder Auto noch Motorrad unter mir.
Vermutlich ist es ein gutes Zeichen für die Verinnerlichung so mancher Abläufe, die für das Motorradfahren besonders wichtig sind. Genauso, wie auf den Straßen in meinem Stadtteil auf einmal lauter Unebenheiten und Bitumenflecken entstanden sind. Rund zehn Wochen ist es her, dass ich mit den Fahrstunden angefangen habe und noch bin ich fleißig zugange. So langsam taucht aber das Licht am Ende des Tunnels auf. Mein Gott, was für eine intensiv erlebte Zeit, der reine Wahnsinn. Ich habe jetzt eine Vorstellung davon, was den Motorradfahrer antreibt.

Die ersten Fahrstunden haben mich glatt umgehauen, so groß war meine Begeisterung, endlich die Maschine bewegen zu dürfen und zu können. Ganz zart natürlich. Ganz langsam. Es war schon ein Meilenstein, als ich dann auf dem Übungsplatz in den zweiten Gang schalten durfte. Vorher musste ich allerdings noch das ordentliche Bremsen üben. Blessuren trugen mein Möpi und ich zusammen davon und konnten uns gegenseitig trösten. Aber zum Glück waren sie nur halb so wild, unsere blauen Flecken sind schon lange verheilt.

Dennoch ist die Auswirkung des Alters auf die Lernfähigkeit unverkennbar. Nein, ich spreche nicht vom VERSTEHEN der Erklärungen zu Übungen. Vielmehr geht es um das UMSETZEN des Verstandenen auf die Motorik. Ich muss halt mehr üben als Jüngere. Das Alter hat noch einen weiteren Nachteil: Man ängstigt sich mehr. Viel zu viele Sorgen um all das, was passieren könnte, wenn ich dies oder das mache, nicht erkenne, berücksichtige oder auch nicht…. Diese Gedanken fahren auf dem Soziussitz ständig mit. Es ist verdammt schwer, sie von dort zu verjagen.

Aber, was eine echte Bikerin werden will, lässt sich von nichts dauerhaft beirren. Jede Herausforderung ist dazu da, um sie bei den Lenkern, äh, Hörnern zu packen. Die erste echte Geduldsprobe musste ich erleiden, als auf dem Übungsplatz (an der Eissporthalle) 7 Meter Fahrbahnbreite eines Tages nicht mehr reichten um das Motorrad zu wenden. Irgendwie schrumpfte die Fahrbahn just in dem Moment auf 3 Meter Breite zusammen, als ich am Rand sowohl eine Bordsteinkante und davor ein 40 cm langes Schlagloch entdeckte. Letzteres zog meinen Blick immer wieder in den Bann. Jeder Biker wird gut nachvollziehen können, welch fatale Folgen das hatte. Aber wenigstens bremsen konnte ich zu dem Zeitpunkt schon gut, und kam prompt immer genau vor dem Schlagloch zum Stehen. Mein Fahrlehrer staunte wohl nicht schlecht, dass ich das Wenden gefühlte Dutzende Male unermüdlich übte. Als es mir gelang, den Hals wie eine Eule weit, weiiiit! nach links zu drehen, verschwand das Schlagloch und das Wenden wurde fortan zum Kinderspiel.

Weitere Doppelstunden verliefen mal mit zufriedenstellenden Fortschritten, der Erfolg mancher war begeisternd, wieder andere wiesen nur kleine Fortschritte auf. Eins hatten aber alle Stunden gemeinsam: Sie trugen dazu bei, das Motorradfieber immer weiter ansteigen zu lassen.
Trotz Euphorie und starkem Willen schienen die Herausforderungen zu einem Zeitpunkt Ende Mai schwer zu bewältigen. Beispielsweise ein unerwartet auftauchendes Fahrzeug auf dem Platz reichte aus, um mich arg nervös zu machen und führte zu kritischen Momenten. Aber mein Fahrlehrer, der übrigens mein größtes Vertrauen in seine Kompetenzen genießt und dem ich höchsten Respekt zolle, wußte auch an der Stelle eine Lösung: Nach den Grundübungen sollten die Sonderübungen, wie Slalomfahren und Ausweichmanöver, zeigen, wie gut meine Chancen sind, die Beherrschung der Maschine in der nächsten Lernstufe zu erlernen. Bei den meisten Fahrschülern nämlich werden diese Übungen erst nach den Stadtfahrten und Sonderfahrten eingeübt.

Und, ihr ahnt es schon, ich habe sie geschafft. Wie eine Hexe auf dem Besenstiel kam ich mir vor. Um möglichst viele Übungen in den 90 Minuten hinzukriegen, düste ich so schnell wie es ging, die Fahrbahn an der Eissporthalle hoch und runter. Das war meine erste Erfahrung mit kühlendem Fahrtwind. Mein eigener!

Inzwischen habe ich fast alle Sonderfahrten hinter mir, noch keine Woche ist es her, dass ich 6 Sonderfahrstunden am Stück fahren durfte. Jetzt weiß ich, im Wispertal und Umgebung warten mindestens 3000 Kurven auf Mopeds! Eine wunderschöne Ecke. Stadtverkehr zur Rush Hour, Autobahnfahrten, Überlandfahrten, auch das ist bewältigt.

Jetzt bewege ich mich langsam auf die Zielgerade zu. Noch die restlichen Sonderfahrten, dann ein gründliches Wiederholen der Sonderübungen, so lange bis sie sicher sitzen und dann ist es soweit! Die Prüfung! Am Liebsten schon heute Abend!
Ich bin schon ein halbes Nervenwrack. Die Wartezeit bis zur „Prüfungsreife“ ist schier unerträglich. Zuletzt war ich als Kind derart ungeduldig, als Heiligabend in der Adventszeit noch fünf Jahre entfernt war. So und noch schlimmer geht es mir mit dem Führerschein. Vor jeder Fahrstunde bin ich gespannt wie die Luft vor einem heftigen Gewitter. In dem Moment, da ich mich aufs Moped setze, den Motor anlasse und die Hände an den Lenker lege, ist die Spannung weggeblasen und macht Platz für Ruhe und hohe Konzentration. So lässt’s sich mit der Hochspannung leben. 🙂

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